Tierhaltung im Wandel - neue Ansätze für Ihren Betrieb

Wie können Sie als tierhaltender Betrieb auf die sich ändernden gesellschaftlichen Anforderungen reagieren? In dieser Ausgabe des Trendradars beleuchten wir, wie sich die Tierhaltung im letzten Jahrhundert verändert hat und welche Ansätze tierhaltende Betriebe bereits umsetzen, um diesem Wandel gerecht zu werden.

Trendradar 11 vom 15. September 2023

Wie hat sich die Tierhaltung im letzten Jahrhundert entwickelt?
Tierhaltung in Österreich ist im letzten Jahrhundert durch viele Veränderungen hindurchgegangen. Anfang des letzten Jahrhunderts war es noch üblich, ein paar Hühner, Schweine und 1-2 Kühe für die Selbstversorgung zu besitzen. Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg, u.a. im Zuge des Marshall-Planes wurde die Nutztierhaltung zunehmend intensiviert und spezialisiert. Der größte Milchbauer Österreichs hält auf seinem Betrieb in OÖ rund 1000 Stück Fleckvieh, wovon 370 gemolken werden. Der größte Schweinestall Österreichs in der Südsteiermark hat rund 1500 Muttersauen, welche 45.000 Ferkel pro Jahr zur Welt bringen. Für viele landwirtschaftliche Betriebe war und ist es notwendig zu wachsen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sich bei Weltmarktpreisen zu behaupten.

In der Gesellschaft hat sich mit zunehmender Intensivierung und quantitativem Wachstum der Nutztierhaltung der negativ behaftete Begriff „Massentierhaltung" ausgebreitet, einhergehend mit steigenden Forderungen 
nach einer artgerechten Haltung und mehr Tierwohl.
 
Was bedeutet Tierwohl genau?

Bereits 1979 hat das Britische Farm Animal Welfare Council das Konzept der „fünf Freiheiten" entwickelt.

  • Freiheit von Hunger und Durst: Zugang zu frischem Wasser und geeignetem Futter
  • Freiheit von haltungsbedingten Beschwerden: geeignete Unterbringung
  • Freiheit von Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten: geeignete Vorbeugung und Behandlung
  • Freiheit von Angst und Stress
  • Freiheit zum Ausleben normaler (=artgemäßer) Verhaltensmuster

Der Kanadier David Fraser hat 1997, aufbauend auf den fünf Freiheiten, ein multidimensionales Konzept von Tierwohl entwickelt. Es baut auf folgenden drei Dimensionen auf:

  • Gesundheit, im Sinne von Abwesenheit von Krankheiten und Verletzungen
  • Verhalten, im Sinne von der Möglichkeit sich artgemäß verhalten zu können
  • Emotionen, im Sinne von der Abwesenheit negativer Emotionen, u.a. Schmerz, Angst und dem Empfinden positiver Emotionen, u.a. Freude

Wichtig dabei ist, dass nach diesem Konzept Tierwohl nur dann gegeben ist, wenn alle drei Dimensionen gleichermaßen erfüllt sind. So ist demnach bei einem gesunden Schwein, welches nicht ausreichend Platz hat sich artgemäß zu bewegen nicht von gutem Tierwohl auszugehen.

 

Wie haben sich die gesetzlichen Regelungen entwickelt?

Die Regierung reagiert darauf mit zunehmend strengeren Vorschriften. Seit 2020 ist die Käfighaltung von Hühnern und die dauerhafte Anbindehaltung von Rindern in Österreich verboten. Erlaubt ist, mit einer Übergangsfrist bis 2030, aktuell noch die sogenannte Kombinationshaltung von Rindern. Bei dieser Haltungsform haben die Tiere über das Jahr verteilt immer wieder freie Bewegungsmöglichkeiten und sind nur zu bestimmten Zeiten an Standplätzen mit Fress-, Tränke- und Liegemöglichkeit fixiert. Das Mindestmaß an freier Bewegungsmöglichkeit beträgt 90 Tage. Durch die Weide- und Almhaltung bzw. das Angebot von befestigten Auslaufflächen wird dieser Zeitraum oft für 120 Tage und länger ermöglicht.

In der Schweinehaltung ist es seit Anfang 2023 verboten bei Stallneu- und -umbauten Vollspaltenböden einzubauen. Schweineställe welche vor 2023 errichtet wurden dürfen noch bis Ende 2039 verwendet werden. Ab dem Jahr 2040 sind Vollspaltenböden in Österreich dann generell verboten.

Diese zunehmend strikteren gesetzlichen Rahmenbedingungen beeinflussen die Tierhaltung massiv und zwingen Nutztierhalter:innen dazu, ihre Haltungsformen anzupassen. Dies ist häufig mit sehr hohen Investitionen für Stallneubauten oder Stallumbauten verknüpft.

 

Neben Tierwohl sind Umwelt- und Klimaschutz wichtige Themen

Parallel zu den Forderungen nach einer artgerechten Haltung und mehr Tierwohl, haben die Themen Klima- und Umweltschutz in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen. Gemäß der Welternährungsorganisation (FAO, 2013) verursacht die Tierhaltung 14,5 % der weltweiten Treibhausgasemissionen. Futterproduktion und –verarbeitung und Methanausstoß im Zuge des Verdauungsprozesses von Wiederkäuern sind für 45% und 39% der Emissionen aus der Tierhaltung verantwortlich.

Gesellschaftlich in den Fokus gerückt ist daher stark das Thema der Umwandlung von Regenwald in Südamerika in Ackerflächen für die Produktion von Soja, welches von Europa importiert und als Futter für Nutztiere verwendet wird, einhergehend mit Forderungen nach regional produziertem Futter und kurzen Transportwegen.

 

Was bedeutet dies für tierhaltende Betriebe in Österreich?

Etliche Betriebe stellt dies vor die Frage, wie sie sich an die strenger werdenden gesetzlichen Vorschriften und die gesellschaftlichen Forderungen anpassen können und gleichzeitig wirtschaftlich rentabel bleiben.

Ein chinesisches Sprichwort sagt dazu:

„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windräder."

In den folgenden Absätzen zeigen wir, welche Ansätze tierhaltende Betriebe bereits umsetzen, um die geänderten Rahmenbedingungen zu Ihrem Vorteil nutzen zu können.

Stressreduzierte Schlachtung

Für Tiere ungewohnte Situationen, wie etwa der Vorgang des Verladens in LKWs oder auf Anhänger und der Transport zum Schlachter verursachen Stress. Weitere Faktoren welche das Stresslevel der Tiere beeinflussen sind u.a. Art des Umgangs, Geräusche, Gerüche, Dauer des Transports, Erschöpfung. Dadurch werden die Stresshormone Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet, welche sich negativ auf die Fleischqualität auswirken.

Eine möglichst stressfreie Schlachtung kombiniert somit verbessertes Tierwohl mit erhöhter Fleischqualität. Um die Belastung für das Tier so gering wie möglich zu halten empfehlen sich u.a. kurze Transportwege, ein ruhiger Umgang mit den Tieren, Vermeidung von Erschöpfung, Hunger, Durst und störenden Geräuschen und Gerüchen.

Eine besonders stressreduzierte Form der Schlachtung ist die Hofschlachtung. Das Tier wird in seiner gewohnten Umgebung betäubt und erlebt keinen Stress durch Einfangen, Treiben, Verladen und Transport zum Schlachthof. Dadurch wird die Verletzungsgefahr der Tiere minimiert und die Fleischqualität verbessert, da weniger Stresshormone ausgeschüttet werden.

Sabrina Ganzi und Thomas Hollauf vom Biohof Ganzi aus Kärnten haben sich eine biologische Tierhaltung mit diversen Standbeinen aufgebaut. Sie halten Masthühner, Schwäbisch-Hällische Landschweine, Duroc-Schweine, sowie Kreuzungen daraus, Pustertaler-Sprinzen-Rinder und Puten. Alle Tiere haben viel Grünauslauf und die Rinder sind mehr als 200 Tage im Jahr auf der Weide. Den Großteil des Futters bauen sie selber an. In ihrem hofeigenen Schlachtraum werden die Tiere stressfrei geschlachtet. Vermarktet werden Fleisch, Eier und Trockenfleischwaren Ab-Hof und im Online-Shop. 2019 und 2021 hat der Biohof Ganzi den Tierschutzpreis gewonnen. 

Betriebsprofil

Innovative Stallkonzepte

Der Stall ist der Ort, an dem Nutztiere den Großteil ihrer Zeit verbringen und ist somit ein ausschlaggebender Faktor für das Tierwohl. Die Art und Weise wie ein Stall gestaltet ist spricht alle drei Dimensionen des Tierwohl Konzeptes von Fraser an. Hygiene, passende Licht- und Temperaturverhältnisse, ausreichend frische Luft, freier Zugang zu frischem Wasser und geeignetem Futter beeinflussen wesentlich die Gesundheit des Tieres. Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, ausreichend Platz und die Möglichkeit mit den anderen Tieren zu interagieren sind maßgeblich für das Ausleben artgerechten Verhaltens. Letzteres hat ebenso erhebliche Auswirkungen auf die Emotionen des Tieres. Gerade bei Ställen gibt es keine allgemeingültigen Lösungen. Jeder Betrieb hat andere bauliche Gegebenheiten für den Stall. Dennoch kann es eine große Inspiration sein zu sehen welche Lösungen andere gefunden haben.


Das Projekt Bergmilchvieh stellt innovative Baulösungen von 32 Bergmilchviehbetrieben auf ihrer Homepage dar, welche eine wertvolle Inspiration bieten können.

Homepage Projekt Bergmilchvieh

Johanna und Christian Wallinger vom Fischhof - Das Ziegenparadies haben 2015 einen Offenlaufstall neu gebaut. Besonders wichtig war ihnen dabei den Tieren viel Platz, ganzjährigen Auslauf, viel frische Luft, viel Licht und einen weichen, warmen und trockenen Untergrund mit Stroh als Einstreu zu bieten. 120 Ziegen tummeln sich in dem Stall und können nach Lust und Laune miteinander interagieren, sich im Stall und im Auslaufbereich frei bewegen. Die 30 Jungtiere haben einen separaten Bereich. Eine Wand haben sie mit großen Fenstern mit Jalousien ausgestattet, so dass je nach Wetterlage diese auf- oder zugemacht werden können und den Tieren viel Licht und frische Luft bieten oder auch Schutz vor Regen und Wind. Im Sommer sind die Tiere auf der Weide, wo sie zusätzlich Zugang zu einem Waldstück haben.

Betriebsprofil

Kreislaufwirtschaft

Bei einer Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft kann der Betrieb als beinahe geschlossenes System betrachtet werden. Für einen tierhaltenden Betrieb bedeutet dies das Futter der Tiere selbst zu erzeugen und Urin und Kot der Tiere wieder als Dünger für die landwirtschaftlichen Flächen zu nutzen. Dadurch entsteht ein geschlossener Kreislauf der Ressourcennutzung. Dies ist eine sehr klimaschonende Art zu wirtschaften. Der Transport von Futter und Dünger erfolgt nur über sehr kurze Distanzen, die vorhandenen Ressourcen am Betrieb werden bestmöglich genutzt und es wird kaum Abfall produziert.

Christina und Johannes Trost aus Niederösterreich haben den Kandlhof 2018 übernommen. Sie wollten weiterhin Viehhaltung betreiben, allerdings mit einer neuen Ausrichtung. Sie entschieden sich einen Offenlaufstall neu zu bauen, die Rasse zu wechseln und auf biologische Bewirtschaftung umzustellen. Die vorhandenen Grünlandflächen des Betriebes nutzen sie für das Futter der Tiere. Diese weiden so viel wie möglich im Tal und auf der Alm und sonst bekommen sie hauseigenes Heu. Vermarktet wird das Fleisch im eigenen Hofladen.

Betriebsprofil

 
Expert:innenmeinung

 

Welche Trends gibt es in der Tierhaltung? Was sind treibende Faktoren für Fleischverarbeitungsbetriebe? Rudolf Berger, Eigentümer des Unternehmens Berger Schinken in Sieghartskirchen in NÖ gibt Antworten auf diese Fragen in der sechsten Episode des Farm Up Talk - Podcasts. Hören Sie rein und lassen sich inspirieren!

Zum Podcast


Veranstaltungstipp
 

 

Zur Aufzeichnung

Weiterführende Literatur

LFI Bildungsbroschüren zu "Tierhaltung und Tiergesundheit"

Jede Menge Wissen wird in zahlreichen Broschüren, Filmen und einer Website praxisnah und verständlich erklärt. Die Themen sind vielfältig und reichen von Kälbergesundheit über Impfmöglichkeiten bei Schweinen bis zum Thema Biosicherheit, um die Gefahr der Einschleppung und Ausbreitung von Infektionserregern auf landwirtschaftlichen Betrieben zu minimieren.

Die neuen Broschüren und noch weitere interessante Bildungsunterlagen zum Thema Tierhaltung und Tiergesundheit können kostenlos auf der Homepage der LKÖ heruntergeladen werden.

Zu den Broschüren

Webseite www.ringelschwanz.at

Die Website informiert Bäuerinnen und Bauern, Tierärztinnen und Tierärzte und landwirtschaftliche Beraterinnen und Berater rund um den Aktionsplan zum Kupierverzicht über sämtliche Dokumentations- und Meldeverpflichtungen, erläutert fachliche Informationen zum Thema Schwanzbeißen, gibt Tipps für Notfallmaßnahmen, zeigt Praxisbeispiele und listet mögliche Ansprechpartner:innen auf.

Zur Webseite

Wissenswertes über Schaf- und Ziegenhaltung

Der Youtube Kanal bietet Filme rund um die Schaf- und Ziegenhaltung, u.a. zu Tierbeobachtung, Managementmaßnahmen, Fruchtbarkeit, Geburt und Geburtshilfe, Parasiten, Pseudotuberkulose.

Zum Youtube-Kanal

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