Wie hat sich die Tierhaltung im letzten Jahrhundert entwickelt?
Tierhaltung in Österreich ist im letzten Jahrhundert durch viele Veränderungen hindurchgegangen. Anfang des letzten Jahrhunderts war es noch üblich, ein paar Hühner, Schweine und 1-2 Kühe für die Selbstversorgung zu besitzen. Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg, u.a. im Zuge des Marshall-Planes wurde die Nutztierhaltung zunehmend intensiviert und spezialisiert. Der größte Milchbauer Österreichs hält auf seinem Betrieb in OÖ rund 1000 Stück Fleckvieh, wovon 370 gemolken werden. Der größte Schweinestall Österreichs in der Südsteiermark hat rund 1500 Muttersauen, welche 45.000 Ferkel pro Jahr zur Welt bringen. Für viele landwirtschaftliche Betriebe war und ist es notwendig zu wachsen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sich bei Weltmarktpreisen zu behaupten.
In der Gesellschaft hat sich mit zunehmender Intensivierung und quantitativem Wachstum der Nutztierhaltung der negativ behaftete Begriff „Massentierhaltung" ausgebreitet, einhergehend mit steigenden Forderungen
nach einer artgerechten Haltung und mehr Tierwohl.
Was bedeutet Tierwohl genau?
Bereits 1979 hat das Britische Farm Animal Welfare Council das Konzept der „fünf Freiheiten" entwickelt.
- Freiheit von Hunger und Durst: Zugang zu frischem Wasser und geeignetem Futter
- Freiheit von haltungsbedingten Beschwerden: geeignete Unterbringung
- Freiheit von Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten: geeignete Vorbeugung und Behandlung
- Freiheit von Angst und Stress
- Freiheit zum Ausleben normaler (=artgemäßer) Verhaltensmuster
Der Kanadier David Fraser hat 1997, aufbauend auf den fünf Freiheiten, ein multidimensionales Konzept von Tierwohl entwickelt. Es baut auf folgenden drei Dimensionen auf:
- Gesundheit, im Sinne von Abwesenheit von Krankheiten und Verletzungen
- Verhalten, im Sinne von der Möglichkeit sich artgemäß verhalten zu können
- Emotionen, im Sinne von der Abwesenheit negativer Emotionen, u.a. Schmerz, Angst und dem Empfinden positiver Emotionen, u.a. Freude
Wichtig dabei ist, dass nach diesem Konzept Tierwohl nur dann gegeben ist, wenn alle drei Dimensionen gleichermaßen erfüllt sind. So ist demnach bei einem gesunden Schwein, welches nicht ausreichend Platz hat sich artgemäß zu bewegen nicht von gutem Tierwohl auszugehen.
Wie haben sich die gesetzlichen Regelungen entwickelt?
Die Regierung reagiert darauf mit zunehmend strengeren Vorschriften. Seit 2020 ist die Käfighaltung von Hühnern und die dauerhafte Anbindehaltung von Rindern in Österreich verboten. Erlaubt ist, mit einer Übergangsfrist bis 2030, aktuell noch die sogenannte Kombinationshaltung von Rindern. Bei dieser Haltungsform haben die Tiere über das Jahr verteilt immer wieder freie Bewegungsmöglichkeiten und sind nur zu bestimmten Zeiten an Standplätzen mit Fress-, Tränke- und Liegemöglichkeit fixiert. Das Mindestmaß an freier Bewegungsmöglichkeit beträgt 90 Tage. Durch die Weide- und Almhaltung bzw. das Angebot von befestigten Auslaufflächen wird dieser Zeitraum oft für 120 Tage und länger ermöglicht.
In der Schweinehaltung ist es seit Anfang 2023 verboten bei Stallneu- und -umbauten Vollspaltenböden einzubauen. Schweineställe welche vor 2023 errichtet wurden dürfen noch bis Ende 2039 verwendet werden. Ab dem Jahr 2040 sind Vollspaltenböden in Österreich dann generell verboten.
Diese zunehmend strikteren gesetzlichen Rahmenbedingungen beeinflussen die Tierhaltung massiv und zwingen Nutztierhalter:innen dazu, ihre Haltungsformen anzupassen. Dies ist häufig mit sehr hohen Investitionen für Stallneubauten oder Stallumbauten verknüpft.
Neben Tierwohl sind Umwelt- und Klimaschutz wichtige Themen
Parallel zu den Forderungen nach einer artgerechten Haltung und mehr Tierwohl, haben die Themen Klima- und Umweltschutz in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen. Gemäß der Welternährungsorganisation (FAO, 2013) verursacht die Tierhaltung 14,5 % der weltweiten Treibhausgasemissionen. Futterproduktion und –verarbeitung und Methanausstoß im Zuge des Verdauungsprozesses von Wiederkäuern sind für 45% und 39% der Emissionen aus der Tierhaltung verantwortlich.
Gesellschaftlich in den Fokus gerückt ist daher stark das Thema der Umwandlung von Regenwald in Südamerika in Ackerflächen für die Produktion von Soja, welches von Europa importiert und als Futter für Nutztiere verwendet wird, einhergehend mit Forderungen nach regional produziertem Futter und kurzen Transportwegen.
Was bedeutet dies für tierhaltende Betriebe in Österreich?
Etliche Betriebe stellt dies vor die Frage, wie sie sich an die strenger werdenden gesetzlichen Vorschriften und die gesellschaftlichen Forderungen anpassen können und gleichzeitig wirtschaftlich rentabel bleiben.
Ein chinesisches Sprichwort sagt dazu:
„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windräder."
In den folgenden Absätzen zeigen wir, welche Ansätze tierhaltende Betriebe bereits umsetzen, um die geänderten Rahmenbedingungen zu Ihrem Vorteil nutzen zu können.
Weiterführende Literatur
LFI Bildungsbroschüren zu "Tierhaltung und Tiergesundheit"
Jede Menge Wissen wird in zahlreichen Broschüren, Filmen und einer Website praxisnah und verständlich erklärt. Die Themen sind vielfältig und reichen von Kälbergesundheit über Impfmöglichkeiten bei Schweinen bis zum Thema Biosicherheit, um die Gefahr der Einschleppung und Ausbreitung von Infektionserregern auf landwirtschaftlichen Betrieben zu minimieren.
Die neuen Broschüren und noch weitere interessante Bildungsunterlagen zum Thema Tierhaltung und Tiergesundheit können kostenlos auf der Homepage der LKÖ heruntergeladen werden.
Zu den Broschüren
Webseite www.ringelschwanz.at
Die Website informiert Bäuerinnen und Bauern, Tierärztinnen und Tierärzte und landwirtschaftliche Beraterinnen und Berater rund um den Aktionsplan zum Kupierverzicht über sämtliche Dokumentations- und Meldeverpflichtungen, erläutert fachliche Informationen zum Thema Schwanzbeißen, gibt Tipps für Notfallmaßnahmen, zeigt Praxisbeispiele und listet mögliche Ansprechpartner:innen auf.
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Wissenswertes über Schaf- und Ziegenhaltung
Der Youtube Kanal bietet Filme rund um die Schaf- und Ziegenhaltung, u.a. zu Tierbeobachtung, Managementmaßnahmen, Fruchtbarkeit, Geburt und Geburtshilfe, Parasiten, Pseudotuberkulose.
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